News-Meldung

des LandesSportBundes Niedersachsen

- Im Gespräch: Bibiana Steinhaus-Webb, Videoassistentin in Tokio

 Bibiana Steinhaus-Webb im Gespräch mit dem LSB über die Tätigkeit Videoassistentin bei den Olympischen Spielen in Tokio

Video-Assistenten gibt es in der Bundesliga seit der Saison 2017/18. Sie haben Ihre Karriere als Schiedsrichterin in der 1. und 2. Bundesliga 2020 beendet und sind seitdem Videoassistentin. „Auf’m Platz“ haben sie 2012 bei den Olympischen Spielen in London gepfiffen, in Tokio sind Sie nun als Videoassistentin dabei. Bevor es nun losgeht, freue ich mich, wenn Sie für die Medien des LandesSportBundes Niedersachsen diese Fragen beantworten:

LSB: Als Fernsehzuschauerin bei der Fußball-EM hatte ich mehrfach den Eindruck, dass „eine klare und offensichtliche Fehlentscheidung des Schiedsrichters auf dem Platz vorliegt. Genau dies ist für Sie Anlass, tätig zu werden. Um welche Situationen geht es und wie läuft das Zusammenspiel mit dem Schiri auf dem Platz“?

B. Steinhaus-Webb:: Videoschiedsrichter*Innen (VAR) stehen per Audio im Kontakt mit dem Schiedsrichterteam auf dem Platz, dürfen aber ausschließlich in vier Situationen des Spiels unterstützen.

Bei den vier Situationen handelt es sich um:

  • Torerzielung, also lag im Spielaufbau ein abseits vor oder wurde evtl. ein Foulspiel übersehen?
  • Strafraumsituationen, wurde im Strafraum ein Foul übersehen, welches zu einem Strafstoß führen würde
  • Feldverweise, also wurde eine Tätlichkeit, Handlung oder ein Foulspiel übersehen, welches einen Feldverweis (Rote Karte) nach sich ziehen würde
  • Spielerverwechselung, wenn der Schiedsrichter versehentlich gegenüber dem falschen Spieler eine persönliche Strafe ausspricht

In allen anderen Situationen, darf der Videoassistent*In nicht eingreifen.

LSB: Sie sitzen in einem Video-Assist-Center und sollen bis zu zehn Spiele verfolgen. In der Regel stehen Ihnen bei Bundesliga-Spielen Aufnahmen von 19 bis 21 Kameras zur Verfügung.  Wie erfolgt die Auswertung und innerhalb welcher Zeiträume müssen Sie entscheiden? Welche physischen Voraussetzungen müssen Sie mitbringen, um diese Aufgaben zu schaffen? Welche Trainings machen Sie, damit auch nach 90 Minuten Blick auf laufende Kameras die Augen nicht „müde“ werden?

B. Steinhaus-Webb: Ein Videoassisten*In begleitet zusammen mit einem Kollegen*In nicht den ganzen Spieltag sondern ausschließlich ein Spiel. Sollte es dann in diesem Spiel eine von den vier vorliegenden Situationen geben, dann prüft der VAR die Situation. Eine Prüfung kann bis zur nächsten Spielunterbrechung erfolgen. Je nach Komplexität kann das wenige Sekunden oder wenige Minuten dauern. Mentale Fitness ist natürlich auch für den VAR unerlässlich. Außerdem gibt es eine Anzahl an Übungen um zusätzlich die Augenmuskulatur trainieren.

LSB: Wie lange sind Sie pro Spieltag im Einsatz?

B. Steinhaus-Webb:Ein Spiel dauert 90 Minuten, dazu kommen circa 90 Minuten Vorbereitung und circa 30 Minuten Nachbereitung – alles vor dem Bildschirm. Aber die Vorbereitung geht natürlich schon mit Kenntnis des Spieleinsatzes los. Abstimmungsgespräche mit dem Schiedsrichterteam, Vorbereitung auf die Mannschaften, später dann Nachbereitung, Feedback, Optimierungspotenziale erkennen und nutzen.

LSB: Als Schiedsrichterin auf dem Platz sind Sie teil eines lebendigen Sportevents inmitten der Mannschaften und umgeben von Fans. Als Videoassistentin sitzen sie abgeschirmt in einem Raum. Da fällt der Fokus auf Fehlersuche sicher leichter? Was macht diese Situation mit der Wahrnehmung und Teilnahme an einem Fußballspiel?

B. Steinhaus-Webb: Wir VAR sind ganz sicher nicht auf der Suche nach Fehlern. Wir konzentrieren uns auf klare und offensichtliche Fehlwahrnehmungen. Wir VAR verstehen uns als Fallschirm, als Sicherheitsgurt für das Schiedsrichterteam auf dem Platz. Wir stehen oder standen selbst alle auf dem Feld und wissen um die Komplexität Entscheidungen zu treffen. Und den aktiven auf dem Feld eine zweite Chance eine Szene bewerten zu können, anzubieten, ist doch eine großartige Option für das Spiel.

LSB: Ab dem 15. Juli sind Sie in Tokio. Wie erfolgt die Zusammensetzung von Videoassistenten für ein Spiel bei Olympischen Spielen?

B. Steinhaus-Webb: Ich freue mich riesig auf das Olympische Fußballturnier. Ich werde als einzige deutsche VAR vor Ort sein, werde also auf jeden Fall mit internationalen Kollegen zusammenarbeiten. Aber genau das ist ja das Wundervolle und Herausfordernde an den Olympischen Spielen- den weltweiten Sportsgeist zu erleben.

LSB: Haben Sie schon Infos zur Unterbringung und den Einsatzorten vor Ort?

B. Steinhaus-Webb: Wir werden mit Ankunft in Japan in eine Turnierblase eintreten. Da weiß man nach ein paar Tagen schon nicht mehr welcher Wochentag eigentlich ist. Auch Ansetzungen für die Spiele und mehr Infos zum Turnier wird es erst vor Ort geben.

LSB: Vielen Dank für das Gespräch, einen interessanten Aufenthalt für Sie, schöne Spiele und bleiben Sie gesund

Foto: copyright DFB Verw